Dienstunfähigkeit Beamte

Das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) regelt in § 26 die vorzeitige Pensionierung von Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit (DU). Das BeamtStG gilt für Landesbeamte und Kommunalbeamte (z.B. Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte). Für Beamte des Bundes besteht eine ähnliche Regelung in § 44 Bundesbeamtengesetz (BBG).

§ 26 Dienstunfähigkeit
(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.
(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.
(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
(BeamtStG in der Fassung vom 28. Juni 2021)

Kommentierung:

Wann liegt eine Dienstunfähigkeit vor?
Die Dienstunfähigkeit des Beamten auf Lebenszeit setzt voraus: Begründete Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten bestehen insbesondere dann, wenn dessen krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit innerhalb eines halben Jahres länger als insgesamt drei Monate angedauert hat (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Der Ablauf dieser Frist verpflichtet nicht automatisch zur Einleitung des Verfahrens zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit. Die Überprüfung kann z.B. entfallen, wenn aufgrund der Umstände keine Zweifel an der dauerhaften Dienstfähigkeit vorliegen. Ferner kann es aus Gründen der Fürsorge z.B. bei Dienstunfällen oder bei noch laufenden Therapiemaßnahmen geboten sein, zunächst die weitere gesundheitliche Entwicklung abzuwarten. Begründete Zweifel an der Dienstfähigkeit liegen regelmäßig auch dann vor, wenn ein betriebliches Eingliederungsmanagement ordnungsgemäß, aber erfolglos durchgeführt worden ist. Zweifel an der Dienstfähigkeit können sich - unabhängig von Fehlzeiten - aber auch aus Auffälligkeiten bei der Dienstausübung ergeben (z. B. bei Verdacht auf Demenz oder Persönlichkeitsstörungen).

Welche Krankheiten oder Verletzungen können zur Dienstunfähigkeit führen?
Diese Frage muss in Bezug auf das wahrzunehmende Amt im abstrakt-funktionellen Sinn beantwortet werden. Ferner ist der Schweregrad der Erkrankung oder Verletzung relevant. Beispiele für Gründe: Unerheblich ist, auf welche Ursachen die gesundheitliche Beeinträchtigung des Beamten zurückzuführen ist.

Was bedeutet "dauerndes" Unvermögen"?
Für die Prüfung der Frage, ob der Beamte "dauernd" dienstunfähig ist, das heißt ob die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, ist als Prognosezeitraum ein Sechs-Monats-Zeitraum zugrunde zu legen. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nicht das von dem Beamten zuletzt wahrgenommene Amt im konkret-funktionellen Sinn (der Dienstposten), sondern das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann.

Es besteht ein Vorrang der weiteren Dienstleistung vor der Frühpensionierung. Der Dienstherr hat daher die Pflicht, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen ("Suchpflicht"). Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken; im Einzelfall kann sich jedoch insbesondere durch Fürsorgeaspekte eine räumliche Begrenzung ergeben. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Als absehbare Zeit wird in der Rechtsprechung ein Zeitraum von sechs Monaten erachtet.

Wie läuft das Verfahren ab?
Das Verfahren zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit wird entweder auf Antrag des Beamten oder auf Initiative des Dienstherrn durchgeführt. In der Regel wird der Beamte aufgefordert, sich einer Untersuchung beim Amtsarzt zu unterziehen. Bevor diese Untersuchungsaufforderung ergeht, sind zuvor vom Dienstherrn der Personalrat, die Gleichstellungsbeauftragte und ggfs. die Schwerbehindertenvertretung anzuhören (z.B. § 75 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NRW, § 178 Abs. 2 SGB IX, § 20 Abs. 2 GStG SH).

Die ärztlichen oder amtsärztlichen Gutachten stellen dabei nur eine medizinisch-fachliche Hilfestellung zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit dar. Der Behörde obliegt jedoch die letztendliche rechtliche Würdigung und Einschätzung der Dienstfähigkeit, da nur sie die konkreten Amtsanforderungen mit dem diagnostizierten Gesundheitszustand des Beamten in Relation setzen kann. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG gegeben und kann der Beamte nicht anderweitig verwendet werden, besteht die Verpflichtung des Dienstherrn zur Zurruhesetzung. Dem Dienstherrn steht somit kein Ermessen zu. Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Insbesondere eine gegen den Willen des Beamten erfolgende Pensionierung ("Zwangspensionierung") ist häufig Gegenstand von Klagen.

Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, vor der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) anzubieten; das BEM und die Versetzung in den Ruhestand sind voneinander unabhängig.

Neben der vollständigen Dienstunfähigkeit gibt es für minderschwere Fälle die begrenzte Dienstfähigkeit (Teildienstfähigkeit). Voraussetzung ist, dass der Beamte mit reduzierter Arbeitszeit (mindestens mit einem Anteil von 50 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit) auf dem bisherigen Dienstposten beschäftigt werden kann.

Die Dienstunfähigkeit muss nicht dauerhaft sein - der § 29 BeamtStG regelt die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit (Reaktivierung).

Andere Voraussetzungen gelten für die Dienstunfähigkeit von Beamten auf Probe.

Die Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) haben in ihren Beamtengesetzen i.d.R. weitere Regelungen getroffen. Beispiel LBG NRW:

§ 33 Dienstunfähigkeit, Antragsruhestand
(1) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten, so ist sie oder er verpflichtet, sich nach Weisung der dienstvorgesetzten Stelle durch eine Ärztin oder einen Arzt der unteren Gesundheitsbehörde untersuchen und, falls ein Arzt der unteren Gesundheitsbehörde dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen. Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Beamtengruppen andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt. Die Frist nach § 26 Absatz 1 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes beträgt sechs Monate. (...)

§ 34 Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
(1) Hält die dienstvorgesetzte Stelle nach Einholung eines amtlichen Gutachtens der unteren Gesundheitsbehörde die Beamtin oder den Beamten für dienstunfähig, so teilt die dienstvorgesetzte Stelle der Beamtin oder dem Beamten oder der Vertreterin oder dem Vertreter unter Angabe der Gründe mit, dass eine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei. Die Beamtin oder der Beamte oder die Vertreterin oder der Vertreter kann innerhalb eines Monats gegen die beabsichtigte Maßnahme Einwendungen erheben.
(2) Die Entscheidung über die Zurruhesetzung trifft die nach § 36 Absatz 1 zuständige Stelle. Wird die Dienstfähigkeit der Beamtin oder des Beamten festgestellt, so ist das Verfahren einzustellen. Wird die Dienstunfähigkeit festgestellt, so ist die Beamtin oder der Beamte mit dem Ende des Monats, in dem ihr oder ihm oder der Vertreterin oder dem Vertreter die Verfügung zugestellt worden ist, in den Ruhestand zu versetzen.
(3) Behält die Beamtin oder der Beamte nach der Entscheidung gemäß Absatz 2 Satz 3 wegen eines eingelegten Rechtsmittels Anspruch auf Besoldung, so werden mit dem Ende des Monats, in dem ihr oder ihm oder der Vertreterin oder dem Vertreter die Verfügung zugestellt worden ist, die Dienstbezüge einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigen. Hat die Entscheidung gemäß Absatz 2 Satz 3 keinen Bestand, sind die einbehaltenen Beträge nachzuzahlen.
(LBG NRW in der Fassung vom 14.06.2016)

Wie hoch ist die Pension bei Dienstunfähigkeit?
Die Frühpensionierung kann für den Beamten erhebliche finanzielle Folgen haben. Zum einen erreicht die Versorgung des Beamten i.d.R. nicht das Niveau der Besoldung. Zum anderen kann die Dienstunfähigkeit dauerhafte Abzüge bei der Pension verursachen. Allerdings ist eine Mindestversorgung sichergestellt. Beispiel zur Berechnung des Ruhegehalts aus NRW:

§ 16 Höhe des Ruhegehalts
(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5), insgesamt jedoch höchstens 71,75 Prozent. (...).
(2) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 Prozent für jedes Jahr, um das die Beamtin oder der Beamte
(...)
3. vor Ablauf des Monats, in dem sie oder er das 65. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird.
Die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 Prozent in den Fällen der Nummern 1 und 3 und 14,4 Prozent in den Fällen der Nummer 2 nicht übersteigen. (...)
(3) Das Ruhegehalt beträgt mindestens 35 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, 61,6 Prozent der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 5.
[Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtenversorgungsgesetz – LBeamtVG NRW) vom 14.06.2016]

Nebentätigkeiten
Sofern es die Erkrankung zulässt, können Einkommensverluste wegen der DU durch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit abgemildert werden (z.B. ein Minijob). Die Einkünfte sind allerdings nur bis zu bestimmten Höchstgrenzen anrechnungsfrei (z.B. § 66 Abs. 2 Nr. 3 LBeamtVG NRW).

Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung / Dienstunfähigkeitsversicherung
Für Beamte kann eine Dienstunfähigkeitsversicherung sinnvoll sein. Die sogenannte Dienstunfähigkeitsklausel ist Teil der Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung. Dabei gibt es viele unterschiedliche Versicherungsbedingungen.

Wichtig ist, dass die BU-/DU-Versicherung die sogenannte echte Dienstunfähigkeitsklausel (auch: Beamtenklausel) enthält; in diesem Fall nimmt die Versicherung keine eigene (zusätzliche) Prüfung der Dienstunfähigkeit vor, sondern schließt sich der Einschätzung des Dienstherrn an. Ferner sollte die Versicherung alle Arten von Beamtenverhältnisssen umfassen (auf Widerruf, auf Probe, auf Lebenszeit).

Ob sich der Abschluss der BU-/DU-Versicherung lohnt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Beispiele: In Ratings schneiden zum Beispiel die DBV, die Signal Iduna und die LVM gut ab.

Zu unseren kostenlosen Foren:


 Frage stellen
Anzeige
Flowers