Warum verdienen Lehrer eigentlich so viel mehr als kommunale Bedienstete ???
#91

Ich habe 2014 - 2016 bei einem Bildungsträger in München gearbeitet. Die Maßnahme nennt sich Berufsausbildung an einer außerbetrieblichen Einrichtung (BaE) und ist für Jugendliche gedacht, die keinen Ausbildungsplatz finden. Der Grund hierfür sind mehrfache Vermittlungshemmnisse, wie Hafterfahrung, Suchtprobleme oder psychische Beeinträchtigungen. Die Klassen waren für Verkäufer, Einzelhandelskaufleute, Fachkräfte für Lagerlogistik und Kaufleute für Büromanagement. Es wurde der komplette Berufsschulunterricht abgedeckt und eine intensive Vorbereitung auf die IHK Prüfungen in den Unterricht der abschließenden Lehrjahre integriert.
Die Anstellung erfolgte für 2500,00 € brutto im ersten Jahr und ab dem zweiten Jahr eine einmalige Heraufstufung auf 2700,00 € brutto. Es gab keine weiteren Zulagen oder Prämien. Als Urlaub wurden 30 Tage gewährt. Die Vorraussetzungen für den Unterricht: Mehrjährige nachgewiesene Unterrichtserfahrung mit der Zielgruppe, AdA-Schein, kaufmännische Berufsausbildung und Aufstiegsfortbildung auf dem Niveau DQR 6 oder ein relevantes Studium.
Nicht umsonst wurde für die Branche der Weiterbildung ein Mindestlohn festgelegt. Die übliche Bezahlung bewegte sich in München 2010 bei teilweise 2100,00 € brutto in Vollzeit. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen denkt bitte daran, daß es weiter unten auch noch Menschen gibt, die für wesentlich geringere Gehälter einen engagierten und erfolgreichen Unterricht halten.
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#92

Interessante Diskussion, vor allem auch die Wahrnehmung vieler Lehrer.
Dazu kann ich auch etwas beitragen (zur Differenz bzgl. den anderen Beamten eher weniger):

Meine beiden Eltern waren Gymnasiallehrer (sind jetzt in Pension). Sowohl meine Schwester als auch ich sind in der Privatwirtschaft gelandet. Meine Eltern haben sich immer voll reingehängt (sehr viel Zeit in die Vorbereitung des Unterrichts gesteckt (ungünstige Fächerkombi, Fachbetreuung etc.) und sich auch nie über ihr Gehalt beschwert, sie waren stets zufrieden.
Ihr Selbstbild (und auch das des Freundeskreises - viele Lehrer) war aber trotzdem immer, dass sie in Bezug auf das Einkommen eher zur Mittelschicht gehören und in der Privatwirtschaft teils mehr zu holen ist. Auch in meinem Freundeskreis sind einige Lehrer dieser Meinung.
Ich vermute, das hat mehrere Gründe:
1) Es wird Brutto mit Brutto verglichen (auch da liegen Gymnasiallehrer schon ganz gut) - das ist aber falsch, man muss Netto und Netto vergleichen, denn Angestellte zahlen ja noch Sozialversicherung.
Wenn man das rausrechnet stellt man fest (die PKV Beträge der Lehrer sind berücksichtigt), dass zum Beispiel das Einstiegsgehalt eines Lehrers in Bayern am Gymnasium (A13) von ca. 53 000 Brutto einem Gehalt von ca. 61 000 Brutto für Angestellte entspricht (dann hätten sie das gleiche Netto). Damit liegen Sie viele Tausend Euro höher als jede andere Absolventengruppe (selbst promovierte Juristen & ITler steigen im Durchschnitt deutlich tiefer ein).
Wenn man diese Netto - Netto Betrachtung für aufgestiegene älterer Lehrer in höheren Stufen (am besten A14 oder A15) macht (oder sich einfach Statistiken zum Nettoeinkommen anschaut) stellt man fest, dass die mit Ihren Gehältern in den top 4% aller Arbeitnehmer landen.
2) Der Pensionsanspruch wird nicht richtig reingerechnet.
Selbst mit A13 landet ein Lehrer bei einer Pension, die ein Angestellter (absoluter Spitzenverdiener für 45 Jahre ohne Unterbrechung) nicht erreichen kann - bei A14/A15 wird es dann völlig absurd.
Um diese Lücke zu schließen, müsste ein Angestellter nochmal ziemlich viel Geld während der Erwerbsphase zur Seite legen - dieses Geld muss man für einen fairen Netto vs. Netto Vergleich nochmal abziehen.
Dann landen die Gymnasiallehrer irgendwo in den top 1-2% der Arbeitnehmer in Bezug auf das Einkommen.
Da gibt es bestimmt nochmal ein paar Effekte (Geschichten wie Dienstwagen für Angestellte, Lehrer braucht ein Arbeitszimmer zuhause usw.) so dass man vielleicht am Ende nur noch in den top 2-4% ist.

Ist doch irgendwie traurig, dass die Lehrer sich der Sache nicht voll bewusst sind. Mein Eindruck ist immer, die fühlen sich tendenziell schlechter gestellt und nicht gewertschätzt... die sollten doch wenigstens mit dem Gefühl rumlaufen: ich habe einen guten Job und werde ausgesprochen gut bezahlt; mein Job und mein Einsatz ist also der Gesellschaft sehr viel Wert.

Auf der anderen Seite stellt sich für mich die Frage, ob die Pensionen für Lehrer gesellschaftlich tragbar sind, denn die müssen ja aus Steuern finanziert werden.
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#93

Die Frage ist doch, ob jemand der ein 10 Semester Uni-Studium absolviert hat wirklich viel besser unterrichtet, als jemand, der ein 6 Semester FH-Studium abgeschlossen hat. Rechtfertigen die zusätzlichen 4 Semester und der höhere Bildungsabschluss einen Sprung auf A13? Kann es nicht Lehrer mit A9-10 geben, die ebenso anständig lehren?

Ich selbst bin Polizist in A10 und definitiv kein Neider. Ich würde meine fachliche Kompetenz aber nicht gering schätzen. Ich muss einen enormen Wissensschatz haben, meine Gesundheit riskieren, sozialpädagogisch arbeiten, und und und. Ich bin auch vielen stressigen Situationen ausgesetzt.
Das mache ich alles gerne. Ich liebe meinen Job. Leider ist es bei uns nicht möglich, direkt ein Master-Studium anzuhängen. Nur den Besten gelingt dies. Ich spreche hier von den oberen 2-4 % (geschätzt) des gehobenen Dienstes. Es wird uns sehr schwierig gemacht. Viele kompetente Polizisten können froh sein, wenn sie mit A11 in Pension gehen. Nur die wenigsten schaffen es auf A13.

Ich werfe also die Frage in den Raum, ob man Polizisten nicht generell besser bezahlen sollte. An der Alimentation der Lehrer, muss dies ja nichts ändern.

Bin gespannt auf euer Feedback

Grüße Smile
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#94

(10.03.2019, 01:43)Gast schrieb:  Die Frage ist doch, ob jemand der ein 10 Semester Uni-Studium absolviert hat wirklich viel besser unterrichtet, als jemand, der ein 6 Semester FH-Studium abgeschlossen hat. Rechtfertigen die zusätzlichen 4 Semester und der höhere Bildungsabschluss einen Sprung auf A13? Kann es nicht Lehrer mit A9-10 geben, die ebenso anständig lehren?

Ich selbst bin Polizist in A10 und definitiv kein Neider. Ich würde meine fachliche Kompetenz aber nicht gering schätzen. Ich muss einen enormen Wissensschatz haben, meine Gesundheit riskieren, sozialpädagogisch arbeiten, und und und. Ich bin auch vielen stressigen Situationen ausgesetzt.
Das mache ich alles gerne. Ich liebe meinen Job. Leider ist es bei uns nicht möglich, direkt ein Master-Studium anzuhängen. Nur den Besten gelingt dies. Ich spreche hier von den oberen 2-4 % (geschätzt) des gehobenen Dienstes. Es wird uns sehr schwierig gemacht. Viele kompetente Polizisten können froh sein, wenn sie mit A11 in Pension gehen. Nur die wenigsten schaffen es auf A13.

Ich werfe also die Frage in den Raum, ob man Polizisten nicht generell besser bezahlen sollte. An der Alimentation der Lehrer, muss dies ja nichts ändern.

Bin gespannt auf euer Feedback

Grüße Smile

Ja, das ist vergleichbar, der Abstand zu Lehrern (A9 - A13) dann auch bei den Polizisten zu groß. Im kommunalen Bereich hat man keinerlei Garantie, mit einem Master später mehr zu verdienen, ich nicht, ob weiß nicht, ob das bei der Polizei anders aussieht.
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#95

Woher die Annahme kommt, dass man mit einer anderen Bildung mehr Geld bekommen sollte, obwohl dahinter stets nur ein subjektiver Wert steht, erschließt sich mir wirklich nicht. Na klar, jeder will das meiste haben zum geringsten Aufwand. Und genau so hat sich diese Diskussion meinem Verständnis nach auch entwickelt.
Warum überhaupt ein aufgeklärter Mensch davon ausgehen kann mehr bekommen zu müssen als der andere ist eine ziemlich irrige Annahme und der Mangel daran zu verstehen, dass der andere daran Neid empfindet, ziemlich irrational.
Hier in der Diskussion waren die Kommentare die besten, die Erfahrung mit den Verdienstunterschieden in ihrem persönlichen Umfeld haben. Diese haben auch das meiste Verständnis gezeigt und haben die negativen Empfindungen nicht einfach nur abgetan, um sich gegen sie zu verteidigen. Neid ist nichts Schlimmes in einer Gruppe von sozialen Wesen. Damit erkennt man ja an, dass es dem anderen besser geht. Es ist halt nur schade, dass es den Bessergestellten so gar nicht darauf ankommt, dass andere ihnen gleichgestellt werden.
Das ist meines Wissens auch genau der Hintergrund der Frage eingangs: "Warum verdienten Lehrer eigentlich so viel mehr als kommunale Bedienstete?"

Dass Geld Leistung bewertet ist die dümmste Mär aber auch die angenehmste Begründung, die man einem Gegenüber haben kann. Bei Geld geht es um direkte Abhängigkeiten. Je größer die Abhängigkeit, desto größer der Verdienst. Dass diese Abhängigkeiten nicht Naturgesetzen entsprechen sondern soziokulturell gewachsen sind und viel mit dem Thema Macht zu tun haben ist dabei eigentlich nur die tatsächlich traurige aber eigentlich erfreuliche Tatsache, denn deshalb sind diese Abhängigkeiten in sich wandelbar.
In Deutschland ist das Grundrecht auf Bildung sogar eine Grundpflicht. Mitunter deswegen ist die Abhängigkeit von Lehrern auch so groß, da von deren Leistung auch noch andere grundrechtlich abgesicherte Aspekte und nicht direkt kodifizierte Abhängigkeiten abhängen. Kinder natürlich, die unter einer Aufsichtspflicht stehen, die Eltern, die aber arbeiten müssen, nicht leisten können. Um mal das Ganze bildhaft abzukürzen, wenn Lehrer fehlen, dann brennt die Hütte. Wenn Kommunalbeamte fehlen, dann brennt die Hütte zwar auch aber erst später, und vielleicht spät genug, als dass der Einwohner noch selber handeln kann. Der Schaden ist aber der gleiche. Es ist halt nur die Frage, inwieweit man den Schaden abwälzen oder im voraus durch andere kompensieren kann. Das fällt im Alltag halt viel schwerer bei Lehrern als bei z. B. Feuerwehrleuten, obwohl mal 1 Tag schulfrei nicht so schlimm ist wie 1 Tag freies Feuer...es geht um die Regelmäßigkeit, die den soziokulturellen Wert, bzw. dessen Wandlung, bestimmt.
Ganz krass ausgedrückt, im Krieg ist die Leistung eines Lehrers nicht so wertvoll wie die eines Soldaten oder auch eines Feuerwehrmanns. Bzw. wäre bei einem Bürgergeld / Grundeinkommen / Mindestsicherung die Leistung der bearbeitende Beamten in der Kommunalverwaltung wichtiger als die der Lehrer. So ist in einer kapitalorientieren Wirtschaft die Leistung eines sog. Managers so viel wichtiger als die eines Lehrers für den Kapitaleigner, während in einem sozialistischem Rätestaat die Leistung eines Ideologie entwickelndem sog. Parteisekretärs wichtiger ist, als die eines Kommunalbediensteten.

Dass wir und unser Schicksal im Grunde immer gleich von allen anderen abhängig sind, ist eine Erkenntnis, die man bekommen kann, wenn man versteht, dass der eine sich auf einer Yacht langweilt, während ein anderer sich in einem Tretboot langweilt und wiederum ein anderer im Weltraum abhängt und sich dabei langweilt...Big Grin
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