Mitarbeiter ohne Eigeninitiative gesucht! - Führung im öffentlichen Dienst
#1

Es muss dem öffentlichen Dienst zu gut gehen...

... da viele Führungskräfte im öffentlichen Dienst ihrer Führungsverantwortung nicht gerecht werden.


Ist es nur eine Ausnahme oder haben wir ein wirkliches Problem in den verbeamteten Führungsetagen des öffentlichen Dienst?

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen BLOG Artikel schreiben soll. Ich habe mir viele Fragen gestellt. Sind das nur Ausnahmen? Verfalle ich der Verallgemeinerung? Neige ich zur Generalisierung? Sind die Informationen durch persönliche Interpretationen eingefärbt? Werfe ich ein falsches Bild auf Führungskräfte im öffentlichen Dienst?
 
Ich führe circa 25% meiner Coaching-Aufträge mit Klienten aus dem öffentlichen Dienst durch. Die Coachees kommen immer wieder mit sehr ähnlichen Themen zu mir. Deswegen muss dieser Artikel nun sein. 
 
Der öffentliche Dienst hat ein echtes Problem. Nein es ist nicht der Fach- und Führungskräftemangel. Der öffentliche Dienst hat reichlich verbeamtete Fach- und Führungskräfte und zudem noch sehr viele angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der öffentliche Dienst gilt immer noch als sicherer Arbeitgeber. Es liegt auch nicht an der sachlichen und fachlichen Qualifikation der Führungskräfte.
 
Nein, es ist ein echtes emotionales und menschliches Führungsproblem!
 
Es gibt ungewöhnlich viele Führungskräfte im öffentlichen Dienst, die nie gelernt haben, wie gute Führung funktioniert. Die nicht gelernt haben, wie man durch Kommunikation führen kann. Die nie gelernt haben, was Motivation bewirken kann. Die nie gelernt haben, welche Erfolge durch Inspiration erzielt werden können.
 
Anders lässt es sich nicht erklären, dass alle Coachees mit sehr ähnlichen Themen zu mir kommen.




Kommen wir zur Sache Baby. Möchte der öffentliche Dienst Mitarbeiter mit Eigeninitiative vermeiden?

Aufgrund der zu erwartenden nachteiligen Konsequenzen für meinen Klienten sind die Orte und Namen frei erfunden, der Coachingauftrag ist jedoch real. Mein Klient hat mir die Freigabe für diesen Artikel erteilt. 
 
Liebe Leser, stellen Sie sich ein kleines und beschauliches Städtchen im Nordwesten von Bayern vor. Die Wirtschaftslage ist durchschnittlich und bei einer Einwohnerzahl von circa 35.000 Menschen hat die Verwaltung eine Größe von ungefähr 675 MitarbeiterInnen.
 
Soweit ist alles gut, das Städtchen ist vergleichbar mit vielen anderen Städten in Deutschland. Politisch ist es durch eine schwarz gefärbte Lokalpolitik geprägt. Der Stadtrat wird von zu vielen alten Männern geführt. Das weibliche Geschlecht ist, wie in vielen anderen Städten auch hier in der Minderheit.
 
Mein Klient, nennen wir ihn Raphael, arbeitet seit nun mehr etwas über vier Jahre in der öffentlichen Verwaltung dieser Stadt. Insgesamt ist er bereits seit 12 Jahren im öffentlichen Dienst. Raphael hat eine Chefin, eine Beamtin der oberen Laufbahn. Frau Wolfgang  gehört der Generation 55+ an und besetzt die Position einer Hauptamtsleiterin.
 
Raphael schilderte mir die Situation sehr plastisch und eindrücklich. Im April 2018 hatte er ein Arbeitsgespräch zur Arbeitssituation im Sachgebiet. Raphael hatte einige wirklich gute Ideen, die sowohl zu gleichen Teilen die Bürgerzufriedenheit, die Arbeitseffektivität als auch die Modernisierung einiger wichtiger Prozesse betreffen würden.
 
In diesem Arbeitsgespräch sagte dann Frau Wolfgang zu Raphael:
 
"Wissen Sie was, Sie sind hier, um die Sachbearbeitung zu erledigen. Sie arbeiten im öffentlichen Dienst, Eigeninitiative wird von Ihnen nicht erwartet und ist hier auch nicht erwünscht." 




Der Elfenbeinturm des öffentlichen Dienst! Denkende, motivierte und eigeninitiative Mitarbeiter sind nicht erwünscht.

Auch als erfahrener Coach schaute ich Raphael erst einmal verwundert an. Ich fragte nach, ob ich alles richtig Verstanden habe. Raphael bestätigte seine Aussage erneut. Nach kurzen Rückfragen lieferte er mir eine zweite fast unglaubliche Story. 
 
In einem Meeting im Februar 2019 wurden die Mitarbeiter nach Vorschlägen für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne des Sachgebiets gefragt. Frau Wolfgang und ihre Stellvertretung Herr Müller-Herz luden zum Meeting ein. Man begann das Meeting mit folgenden Worten: "Wir müssen zur Digitalisierung des Sachgebiets eine Bürgerinformation in die Bürgerschaft bringen und erhoffen uns von Ihnen allen wertvolle Lösungsvorschläge."
 
Die Meetingteilnehmer brachten einige kreative und kostengünstig umsetzbare Ideen ein.
Auch Raphael brachte seine Vorschläge in die Runde ein. 
 
Zwei Wochen nachdem Meeting hatte er ein Gespräch mit Herrn Müller-Herz, in dem wurde er dann mit folgender Aussage konfrontiert:
 
"Er und die Hauptamtsleiterin fanden sein Verhalten im Meeting nicht gut. Es sei nicht erwünscht das Mitarbeiter Vorschläge machen, man empfinde sein Verhalten als besserwisserisch."
 
Sie können sich vorstellen wir verdutzt Raphael geschaut hat, denn er wurde ja aufgefordert Ideen zu liefern und nun diese Aussage.




Wäre es nur ein Einzelfall, hätte ich sicherlich nicht diesen BLOG-Artikel geschrieben.

Ich fragte Raphael im Rahmen des Coachings, wie er sich bei beiden Ereignissen gefühlt hatte und was sie mit ihm gemacht haben. Ich fragte ihn, wie er die Ereignisse für sich verarbeitet hatte.
 
Er schilderte mir seine Gefühle und Emotionen. Er wollte wissen, ob es anderen Menschen in dem Sachgebiet genauso ging und befragte deshalb Personen seines Vertrauens. Er wollte wissen, ob es vielleicht an ihm lag. Ob er etwas falsch betrachtet oder falsch verstanden hatte. Raphael hatte zu diesem Zeitpunkt sehr viel Selbstzweifel.
 
Alle anderen Befragten des Sachgebiets gaben ihm inhaltlich übereinstimmende Antworten. In diesem Sachgebiet und auch in vielen anderen ist es absolut unerwünscht, wenn die Sachbearbeiter mitdenken, kreativ, motiviert und eigeninitiativ sind. Diese ungesunde Arbeitsmoral würde von der Sachgebietsleitung abgelehnt werden, da sie den Arbeitsrhythmus der Stadtverwaltung so erheblich stören würde, dass ein zufriedenstellendes Arbeiten, aus Sicht der Führung, nicht möglich sei.
 
Wem fällt hier auch der alte Witz vom Beamtenmikado ein?
 
Raphael wollte seinen Ohren nicht trauen. Auf Nachfrage von ihm, da er dachte, es wäre ironisch gemeint, bekam er jedoch alle Aussagen bestätigt. 
 
Raphael ist nur einer von vielen Klienten, die mir von ganz ähnlichen Arbeitsauffassungen der verbeamteten Führungskräfte in ihren Kommunen und Verwaltungen erzählen. 




Das bedeutet also, das es eine nicht unerhebliche Zahl von verbeamteten Führungskräften gibt, die eine gänzliche Befreiung von Führungskompetenzen als eine Top-Fähigkeit ihr eigen nennen.

Ich Frage nun Sie, liebe Leser, Betroffene und Coaches, sind das nur Ausnahmen? Oder ist es vielleicht die Spitze des Eisbergs? Kennen Sie ähnliche Fälle?
 
Wenn ich mich durch meine Coachings und durch meine Beobachtungen leiten lasse, dann komme ich zu folgendem traurigen Schluss. Einige unserer Verwaltungen arbeiten nicht nur langsam, sondern auch ineffektiv. Eine nicht unerhebliche Zahl von Führungskräften in den Verwaltungen scheint auf die Führungsaufgaben nicht vorbereitet zu sein und agiert vollkommen kompetenzbefreit. 
 
Einige von Ihnen wissen, dass ich über viele Jahre als Senior Führungskraft in Konzern- und Mittelstands-Unternehmen gearbeitet habe. Hätte ich eine Führungskraft in meinem Verantwortungsbereich gehabt, die ähnlich wie Herr Müller-Herz oder Frau Wolfgang agiert und kommuniziert hätten, dann wäre meine Entscheidung sehr schnell gefallen. Insbesondere, da man sich selbst des Verhaltens bewusst ist und mit Vorsatz handelt. 
 
In diesem Fall gäbe es nur eine Managemententscheidung, die Kündigung dieser Führungskräfte wegen Unfähigkeit. Ja ich bin mir bewusst, dass diese Begründung kein wirksamer Kündigungsgrund ist, jedoch würde ich Fakten schaffen um den Arbeitsbereich neu aufstellen zu können. 
 
Wenn wir nicht aufpassen und der öffentliche Dienst nicht aufwacht, ist er in wenigen Jahren Handlungsunfähig. Die Fluktuation von Mitarbeitern unter 40 ist gewaltig und gleichzeitig gelingt es dem öffentlichen Dienst nicht, die Stellen qualitativ zu besetzen. Verbeamtete Führungskräfte erweisen sich immer häufiger als Bremser und Verhinderer. Mit der Handlungsunfähigkeit des öffentlichen Dienstes verlieren wir als Gesellschaft unsere Stabilität und Stärke in Europa. Es ist Zeit zu handeln! 
 
Ich freue mich auf Ihre Kommentare, Meinungen und Erfahrungen zum Thema.
 
Ihr Stefan Kozole
Zitieren
#2

Es ist kein Einzelfall.
Bei uns (eine Kreisverwaltung mit über 1000 MA) gibt es ebenfalls solche Vorfälle, oder auch andere Fehlleistungen von Führungskräften (ist aber nicht "Beamten-abhängig, geht genauso bei Angestellten).
Das Engagement von Mitarbeitern wird nicht anerkannt. Keine Kritik ist schon Lob genug.
Ich werde u.a. auch deshalb nach 20 Jahren meinen Arbeitsplatz wechseln...

Ich staune auch immer, dass (irgendwie) noch alles funktioniert, weil es punktuell noch Mitarbeiter gibt, die den Laden am Laufen halten!
Zitieren
#3

Exakt alles so selbst mehrfach als MA erlebt, dass gute Ideen oder Eigeninitiative sogar in größerer Runde niedergemacht wurden (teilweise unter der Gürtellinie und lautstark) und 1/2 bis 1 Jahr später wurden Vorschläge dann doch - natürlich als Projekt der Vorgesetzten - so oder zumindest in den Kernpunkten, umgesetzt. Und ich kann nur bestätigen, es sind nicht nur Beamte und es gibt es auch gute Führungskräfte. Aber es ist tatsächlich oft so, dass der sprichwörtliche Fisch "vom Kopf zu stinken" anfängt.
Werde wohl aber noch öfter auf die Nase fallen weil meinen Mund halten, das möchte und werde ich trotzdem nicht.
Zitieren
#4

zu #3 ..Und... es sind nicht nur die Vorgesetzten. Oft wollen auch langjährige Mitarbeiter (ebenfalls nicht nur Beamte) einfach nichts ändern obwohl ihnen das Eine oder Andere gute Vorteile bringen würde..
Zitieren
#5

Vielen Dank für Ihre ersten Kommentare. Sie haben recht, leider ist es kein Einzelfall. Ich vermute dass es die Regel ist.
Ich fordere gerne auf noch weiter Kommentare hier einzustellen.

Ihr Stefan Kozole
Zitieren
#6

Anbei ein anschauliches Beispiel, was schlechte Führung und die daraus resultierende schlechte Personal-, Einsatz und Organisationsplanung verursacht.

Sie sorgt in der Spitze für einen Krankenstand von 16,3%!

Ende Mai wurde durch Dennis Thering, CDU-Bürgerschaftsabgeordneten, eine Kleine Anfrage an den Hamburger Senat gestellt. Diese Anfrage ergab, dass die Bürger-Wartezeiten bei der Kfz-Anmeldung 2018 im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen sind. 2017 mussten die Hamburger im Schnitt 2,4 Tage auf einen Termin warten. In 2018 waren es bereits im Schnitt 5,9 Tage. Wenn Sie ein Fahrzeug in der Zulassungsstelle Nord anmelden wollten, benötigten Sie die größte Geduld, denn die Wartezeit betrug im Durchschnitt 7,6 Tage. In einigen besonderen Fällen mussten die Bürger bis zu 15 Tage auf einen Termin warten.

In der gleichen Anfrage wurden Parallelen zum Krankenstand der Belegschaft gezogen. Die Zahl der Krankheitstage stieg mehr wie deutlich an. Im Jahr 2017 lag die Fehlzeitenquote bei 10,5 Prozent und stieg 2018 auf 13,2 Prozent. Besonders auffällig waren die Zulassungsstellen in Hamburg Mitte und Harburg. Dort lag die Quote bei 16,3 und bei 15,6 Prozent.

Wenn wir uns das Zahlenwerk nüchtern betrachten, erkennen wir deutlich die Überforderung der Führungskräfte. Eine Fehlzeitenquote von 16,3% ist hauptsächlich auf zwei Indikatoren zurückzuführen:
1. Ungesunde und somit schlechte Führung
2. Schlechte Arbeitsatmosphäre

Beide Themen liegen in der Verantwortung der Führungskraft und des Dienstherren. Somit kommen wir erneut zu Lösungsansätzen, die sich um Gesunde-, Resiliente- und Nachhaltige-Führung drehen.

Der öD benötigt also eine gänzlich andere Führungskräfteentwicklung, als die in der Praxis angewendete.

In die Führungskräfteentwicklung des öD gehören Ausbildungsinhalte wie zum Beispiel:
• Selbstführung
• Gesunde-Führung
• Resiliente-Führung
• Werteorientierte-Führung
• Agile-Führung
• Gender- und Generationsgerechte-Führung
• Typologische Führung
Zitieren
#7

Das kenne ich auch (Kreisverwaltung).
Das ist aber nicht zu pauschalisieren und kann auch nicht an Beamter/kein Beamter festgemacht werden.
Es gibt Führungskräfte, die nicht wissen, was Leiten und Führen bedeutet. Wenn aber selbstständige kompetente Mitarbeiter darunter stehen (liegen, krichen...), dann läuft der Laden.
Es gibt aber auch Führungskräfte, die ihrem Posten gerecht werden.
Ich bin nach 19 gruseligen Jahren unter totaler Inkompetenz doch endlich seit drei Jahren wieder gut drauf, denn ich wurde sogar mehrfach gelobt. Das ist ein echt schönes Gefühl.
Leider wissen nur wenige Chefs, dass man die Mitarbeiter mit kleinen Dingen sehr motivieren kann.

LG
Karina
Zitieren
#8

Das habe ich in 40 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit in verschiedenen Bereichen (Kommune, Fachhochschule, Landesbehörde) so erlebt.

Diejenigen, die Ideen haben oder zu einer Verbesserung der teilweise unstrukturierten Arbeitsabläufe beitragen wollen, ziehen sich den Unmut der/des Vorgesetzten zu. Ich bin davon überzeugt, dass es am hierarchischen Aufbau der Verwaltungen liegt. Wer einmal im "höheren/gehobenen Dienst" angelangt ist, sagt den Sachbearbeitern wo es langgeht. Oftmals sind das Juristen, die kein besonders gutes Studium absolviert haben und im Öffentlichen Dienst landen. Führungskompetzenz gleich Null, aber einen auf großen Max machen.

Wie geht man als Betroffene/r damit um? Man macht Dienst nach Vorschrift und engagiert sich nicht (mehr).
Zitieren
#9

Auch in kleineren Kommunalverwaltungen gibt es dieses Problem: Amtsleiter, die seit etlichen Jahren denselben Posten besetzen, wollen scheinbar aus Bequemlichkeit keinen Schritt in Richtung Zukunft gehen. Bloß keine Veränderung - dies scheint das Motto bei uns im Haus zu sein. Jede Idee wir hier gnadenlos abgeschmettert.
Ich als noch relativ junge Mitarbeiterin muss mich immer wieder wundern, wie stur und schlecht die Mitarbeiterführung läuft, obwohl wir (40 Mitarbeiter im Rathaus) uns alle untereinander kennen und die Wege sehr kurz sind.

Es scheint vielen Führungskräften einfach schwer zu fallen ihre Mitarbeiter zu loben und sie als Kollegen, und nicht als "Untergebende" zu sehen. Sätze wie: "Das ist jetzt einfach so, wenn es dich stört geh doch zum Chef" hätte ich hier so nie erwartet, sind aber leider Alltag.
Das Klischee vom "alten, weißen Mann" als Vorgesetzer wird hier wirklich täglich bestätigt.
Wäre der Zusammenhalt unter den Kollegen und das regelmäßige Dampfablassen nicht, wäre ich schon längst woanders. Aber wer weiß wie es nach ein paar weiteren Jahren aussieht - irgendwann wird der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, noch kommen.
Zitieren
#10

Bei uns ist es so, dass selbst bei Mitarbeitern, die seit 30+ Jahren (teilweise selbst aufgrund der hochverantwortlichen Tätigkeit entsprechend eingruppiert - Ende EG 11 und höher) der Bgm. zum Amtsleiter/in läuft - der vielleicht sonst sogar recht kompetent ist aber eben nicht auf diesem Spezialgebiet - und dann irgendwas ausgemacht wird. Der Mitarbeiter bekommt dann irgendeine (schriftliche !) Anweisung auf den Tisch, die die bereits zu Ende und bis in letzte Detail durchdachten Abläufe völlig durcheinander bringen würden - ggfs. auch noch zur Lachnummer bei der übergeordneten Behörde wird - weil der Amtsleiter nicht in der Lage ist, den spezialisierten Mitarbeiter zum Gespräch dazu zu holen oder die Gesprächsinhalte zumindest erst mal als Vorschlag zu unterbreiten.
Der betroffene Mitarbeiter muss dann in mühevoller Kleinarbeit - natürlich auch schriftlich weil es sonst ja nicht belegt ist - vielleicht noch unter zusätzlichem Zeitdruck, das Ganze wieder bereinigen und dabei auch noch die nötige Dioplimatie walten lassen. Das kostet unermesslich viel Zeit und Energie insbesondere wenn das Fachgebiet ansich schon selbst bei normalen Verwaltungsabläufen immense Konzentration und Aufmerksamkeit fordert. Und u. U. bleiben sogar andere - viel wichtigere Angelegenheiten - unnötig liegen.
Diese Hierarchie zumindest in den oberen Ebenen gehört weg, natürlich braucht es und gibt es Mitarbeiter, die nicht so spezialisiert sind, die entsprechende Anweisungen benötigen und auch erwarten, das ist auch richtig so. Aber es darf nicht sein, dass jemand nur weil er in einer bestimmten Position ist, uneingeschränkt schalten und walten kann.
Zitieren
#11

Ok....??.also bei uns (mittelgroße Marktgemeinde/ 15.000 +) besprechen so etwas die Amtsleiter, bzw. ggfs. sogar der Bgm. persönlich mit den zuständigen Mitarbeiter/n- (i ,d R. ohne große Gesprächsrunden) insbesondere wenn diese so hoch dotiert sind und verschafft sich erst ein Bild, lässt sich die Sachlage erläutern, bevor ggfs. "eingegriffen", bzw. eine ergänzende Anordnung getroffen wird /kommt dann auch so gut wie nie vor.
Da passiert nichts aber auch gar nichts, ohne dass zuerst (i. d. R. unter vier Augen, bzw. im ganz kleinen Kreis) die Spezialisten gefragt werden (gleich welche Position), so werden auch unnötige Einmischungen ausgeschlossen, jeder kann sich auf "seins" konzentrieren. Wenn es übergreifend wird, setzt man sich eh zusammen und zwar nicht in Amtsleiterrunden sondern immer mit denen, die es betrifft.
Solche flachen Hirarchien "passen" zwar manchen ewig Gestrigen nicht aber es hat den Vorteil, dass extrem sachbezogen gearbeitet wird und kaum Leerlauf entsteht, jemand durch nachträgliche Korrekturen oder mit evtl. diplomatischen Winkelzügen die "Handbremse" ziehen muss.
Das ist für die zuständigen Mitarbeiter sehr beruhigend - es besteht eine enorme Vertrauensbasis. Unser Amtsleiter (sehr verwaltungserfahrender Techniker ohne Verwaltungsausbildung) steht auf dem Standpunkt, dass er nicht alles können muss und können kann (besonders im rechtlichen Bereich) und gibt dies auch unumwunden zu - er überlässt in diesen Fachbereichen die Abwicklung vollständig dem jeweiligen Sachbearbeiter, steht aber hinter ihm. "Das muss man erst mit.....besprechen".
Bei Überprüfungen (Prüfungsverband, Rechnungsprüfungsausschuss) steht er auch unumwunden dazu und wird aber von allen Mitarbeiter gerade deswegen sehr geschätzt. Eine Haftungsproblematik besteht ohnehin nur bei grober (offensichtlicher) Fahrlässigkeit, bzw. Vorsatz und da ist sich jeder Mitarbeiter insbesondere in dieser Gehaltsebene seiner Verantwortung bewusst.

Obwohl das eigentlich am Thema vorbei geht...so geht es auch.
Zitieren
#12

#11 Ergänzung

Meines Erachtens scheitert es in manchen Fällen gar nicht an den verkrusteten Strukturen (was wirklich nicht selten vorkommt) sondern auch daran, dass immer noch Leute ohne jegliche Verwaltungsausbildung in Führungspositionen von Amtern oder Sachgebieten, bzw. Kommunen sind, die zwingend Verwaltungskenntnisse erfordern und die dann "wild" Anweisungen erteilen oder meinen, selbst eingreifen zu müssen. (Letzteres ist das Schlimmste). Denn selbst Verwaltungerfahrung ersetzt nicht die in einer solchen Ausbildung vermittelten tiefgreifenden Denkprozesse (Behördenstrukturen, Zuständigkeiten, Paragrafenfolgen, rechtliche Zusammenhänge im Hintergrund, Ermessensspielräume), die dem Normalbürger in der Regel nicht zugänglich sind. Dabei wird außer Acht gelassen, dass das Nicht-beachten von Verfahrensschritten, bis zum Scheitern von ggfs. wichtigen Genehmigungen führen kann, weil die Rechtsgrundlagen nicht beachtet wurden.
Zitieren
#13

Leider, leider muss ich das auch bestätigen 🙄
Zitieren
#14

Nach 30 J. in verschiedenen Bereichen (kommunal mittel, kommunal groß) muss ich das auch so bestätigen. Die Große Kommune ist noch in der Papier und Aktenzeit von vor 30J. stehen geblieben. Ich persönlich liebe die neue digitale Version (E-Akte etc) durfte auch schon damit arbeiten, nur leider gibt es keine Führungskräfte die dies forcieren u. voranbringen. Andererseits bekomme ich auch von Kollegen in meinem Alter um 50 immer wieder zu hören -Nee ich muss das alles auf Papier haben...- Unmöglich so den Digitalpakt für 2022 auch nur Ansatzweise zu erreichen. Von den menschlichen u. personalbezogenen Entscheidungen gar nicht zu reden. Unflexibel in der Arbeitszeitregelung, Homeoffice mit Akten nach Hause schleppen auch nach über 6 Monaten damit noch keine Änderung...
Zitieren
#15

Nach mittlerweile 40 Berufsjahren, davon 20 im ÖD, kann ich nur davor warnen, die Problematik ausschließlich oder weitgehend auf den ÖD zu beschränken. Missachtung von Eigeninitiative, Engagement, Verbesserungsideen etc. sind auch in der viel gepriesenen "freien" Wirtschaft weit verbreitet. Die Gründe sind hüben wie drüben vielfältig. Angst der Vorgesetzten vor Veränderungen, Abweichen von eigenen Denkmustern, Angst vor "zu intelligenten" Mitarbeitern, die einem Vorgesetzten etvl. gefährlich werden könnten usw. usw. Das alles entspricht jedoch in letzter Konsequenz einer eindeutigen Wertschätzung der Mitarbeiter und die ist i.d.R. nicht positiv. Oder wie es einer meiner Vorgesetzten im ÖD (Amtsverwaltung) einmal ausdrückte, als ich ihn danach fragte weshalb die erarbeiteten Ergebnisse aus 8 Workshops mit Unternehmensberatung nicht umgesetzt würden: Seid doch alle zufrieden, dass ihr einen sicheren Arbeitsplatz habt und das Gehalt pünktlich kommt. Wozu braucht ihr da noch eine Portion extra Wertschätzung?

Dabei sind meiner Erfahrung nach die Beratungen und Coachings der Führungskräfte zum Thema "Führung" in aller Regel sehr gut und bieten zahlreiche Ansätze zu Verbesserungen und zum Vorteil von Unternehmen / Behörde und Mitarbeitern. Leider werden die positiven Effekte diesbzgl. Seminare und Coachings von den meisten Führungskräften i.d.R. als Alibiveranstaltungen genutzt.

Mein persönliches Fazit 5 Jahre vor der Verrentung: Meine Energie lieber in die Lebensqualität des privaten Bereichs investieren; das Berufliche ist für mich nach jahrelangem oft vergeblichen Engagements nur noch Mittel zum Zweck. Einkommenserzielung zur Existenzsicherung.
Alles andere ist unrealistisches Wunschdenken
Zitieren
Antworten


[-]
Schnellantwort
Nachricht
Geben Sie hier Ihre Antwort zum Beitrag ein.






Möglicherweise verwandte Themen…
- Inflationsauszahlung bei Beschäftigung im öffentlichen Dienst
- Stromangebote für den öffentlichen Dienst
- Muss ein Geschäftsbereichsleiter im öffentlichen Dienst ein Beamter sein?

NEUES Thema schreiben



 Frage stellen
Anzeige
Flowers