Verantwortung von Beamten für die Rechtmäßigkeit und Remonstration

§ 36 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) regelt die Verantwortung von Beamten für die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen. Für Beamte des Bundes gilt § 63 Bundesbeamtengesetz (BBG).

§ 36 Verantwortung für die Rechtmäßigkeit
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Die Remonstration ist an keine bestimmte Form gebunden und kann daher mündlich oder schriftlich erfolgen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.
(BeamtStG in der Fassung vom 28. Juni 2021)

Kommentierung:

Die öffentliche Verwaltung, die Polizei und andere Teile der vollziehenden Gewalt sind gemäß Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz an Gesetz und Recht gebunden. Diese Verpflichtung gilt nicht nur für die Organisation, sondern auch für den einzelnen Beamten: Der Beamte trägt gemäß § 36 Abs. 1 die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen.

Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstliche Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. "Diese Prüfung erfolgt anhand der einschlägigen Rechtsnormen, Rechtsverordnungen, Satzungen sowie allgemeinen Richtlinien durch Zurückgreifen auf Rechtsprechung und Fachliteratur. (...) Jeder Amtsträger muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen" (III ZR 18/19). Da es bei der Auslegung des Rechts häufig zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, reicht es aus, wenn die Rechtsansicht des Beamten als vertretbar angesehen werden kann, um ihn von einem Schuldvorwurf zu befreien.

Da der Beamte gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG zugleich verpflichtet ist, die Anordnungen und Richtlinien seines Vorgesetzten zu befolgen, regelt der § 36 in den Absätzen 2 und 3 den Umgang mit möglicherweise rechtswidrigen Anordnungen. Der § 36 befreit den Beamten aus der Zwickmühle zwischen Weisungsgebundenheit und Folgepflicht auf der einen Seite und der Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen auf der anderen Seite.

Der Beamte ist verpflichtet, dienstliche Anordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Recht zu überprüfen. Falls der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnungen hat, so ist er gemäß § 36 Absatz 2 BeamtStG verpflichtet, diese geltend zu machen. Diese Beamtenpflicht wird als Remonstration bezeichnet. Es reicht dabei aus, dass der Beamte Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat; er muss sich der Rechtswidrigkeit somit nicht sicher sein.

Die Remonstration bedarf keiner besonderen Form, kann also mündlich oder schriftlich erfolgen. In der behördlichen Praxis erfolgen Remonstrationen häufig lediglich mündlich. Im Rahmen einer Rücksprache weist der Beamte dabei auf Bedenken gegen eine vom Vorgesetzten vertretene Rechtsauffassung hin. Aus Gründen der Beweisbarkeit und Klarheit ist gleichwohl die Schriftform zu empfehlen.

Eine Remonstration ist abzugrenzen von einer fachlichen Diskussion oder bloßen Meinungsäußerung. Will ein Beamter remonstrieren, muss er dies somit klar und bestimmt zum Ausdruck bringen.

Die Remonstrationspflicht bezieht sich ausschließlich auf die Rechtmäßigkeit einer Anordnung. Andere Aspekte wie z.B. Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit sind von der Pflicht zur Remonstration nicht unmittelbar umfasst. Jedoch kann sich aus der Beratungspflicht eine Notwendigkeit für den Beamten ergeben, den Vorgesetzten auf unzweckmäßige oder unwirtschaftliche Anordnungen hinzuweisen.

Kommt der Beamte seiner Remonstrationspflicht nach, entlastet er sich bei rechtswidrigen Weisungen von der Verantwortung für sein Handeln. Er haftet somit nicht für Schäden:

Dies gilt allerdings erst, wenn beide Stufen durchlaufen sind (Vorgesetzter und nächst höherer Vorgesetzter).

Ferner muss der Beamte Anordnungen nicht ausführen, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für den Beamten erkennbar ist.

Unterlässt ein Beamter es schuldhaft, gegen eine rechtswidrige Anordnung zu remonstrieren, kann dies ein Dienstvergehen darstellen und in einem Disziplinarverfahren gehandet werden.

Muster einer schriftlichen Remonstration:

Ort, Datum

Vorname Name

An
Frau/Herr (Vorgesetzte/r)

Remonstration

"Sehr geehrte/r Frau/Herr,

mit Schreiben (e-Mail) vom ... / in einer Unterredung am ... wurde ich angewiesen, ...

Hiermit remonstriere ich gemäß § 36 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (oder: § 63 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz) gegen diese Anordnung, da ich Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit habe.

Begründung: ...

Ich bitte, den Eingang meiner Remonstration zu bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift"

Remonstrationen werden in der Regel nicht zur Personalakte genommen, sondern zur Sachakte des Vorgangs. Allerdings kann die Remonstration vom Vorgesetzten als Kritik oder Aufbegehren wahrgenommen werden. Da der Beamte in der Regel von diesem Vorgesetzten beurteilt wird, kann sich dies negativ auf die nächste Beurteilung und damit auf die Karrierechancen auswirken.

Die Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) haben in ihren Beamtengesetzen i.d.R. weitere Regelungen getroffen.

Unsere Foren für Beamte:
Beispielhafter Beitrag: Remonstrationspflicht



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