Quereinstieg in öffentlichen Dienst
#1

Hallo an die Teilnehmer dieses Forums. 

Ich interessiere mich für die Frage inwieweit der Quereinstieg in den öffentlichen Dienst ( nicht als Beamter ) für mich realistisch ist. Folgendes zu meiner Situation :

Ich werde dieses Jahr 49 Jahre alt. Ich bin Volljurist ( beide Staatsexamen allerdings nur mit ausreichend ). Vom Jahr 2006 bis ins Jahr 2015 habe ich mit meinem Vater ein Anwaltsbüro betrieben in sehr kleinem Format. Wir hatten keine Angestellten. Deren Arbeit habe ich übernommen, so dass ich teilweise als Anwalt und teilweise als Bürokraft gearbeitet habe. Im Oktober 2015 erlitt mein Vater einen schweren Schlaganfall. Er ist seit dem ein schwerer Pflegefall. Ich habe das Büro zunächst weiterbetrieben, da schließlich die laufenden Fälle zu Ende gebracht werden mussten. Ich habe auch eine Weile noch neue Fälle angenommen. Da aber auch meine Mutter sehr bald nach dem Schlaganfall meines Vaters wegen Demenz zum Pflegefall wurde, habe ich das Anwaltsbüro immer mehr zurückgestellt, da die Pflege der Eltern nunmehr zur Hauptaufgabe wurde und eine Berufstätigkeit nebenher nicht mehr realistisch weil einfach zu viel war.  Ich bin zwar noch zugelassener Anwalt. Mein Büro ist aber im Prinzip inzwischen abgewickelt. Es gibt keine laufenden Fälle mehr.

Nach wie vor bin ich massiv mit der Pflege meiner Eltern befasst ( Vater Pflegegrad 5, Mutter Pflegegrad 4 ). Wie lange dies noch geht, weiß ich nicht. Eine Abschiebung meiner Eltern in ein Heim kommt nicht in Frage.

Wenn dies alles vorbei ist, möchte ich nicht mehr als freiberuflicher Anwalt arbeiten. Ich möchte einen geregelten Job, am liebsten im öffentlichen Dienst. Bei meinen Examensnoten dürfte es unrealistisch sein, als Volljurist eine Stellung zu bekommen. Deshalb frage ich mich, ob und inwieweit eine anderweitige Anstellung im öffentlichen Dienst für mich in Betracht kommen könnte, etwa für Arbeiten, die sonst Verwaltungsfachangestellte machen. Normalerweise müsste ich für solche Arbeiten befähigt sein, jedenfalls mit gewisser Einarbeitungszeit.

Ich mache mir auch Gedanken über ein Fernstudium eine Zusatzqualifikation zu erwerben, z.B. im IT Bereich, mit dem Ziel dadurch etwaige Einstellungschancen im Bereich des öffentlichen Dienstes zu erhöhen. 

Ich frage mich mit Sorge, ob in meinem Alter ohnehin der Weg in den öffentlichen Dienst bereits versperrt oder nahezu versperrt ist.

Und dann ist da natürlich das Problem, dass ich, jedenfalls solange mein Vater gepflegt werden muss, ich eine etwaige Stelle nicht antreten kann, allenfalls in Teilzeit, wodurch bereits erhebliche Probleme hinsichtlich der Versorgung meine Vaters gelöst werden müssten.

Ich frage mich auch, ob es tunlich ist, zu Behörden Kontakt aufzunehmen, um mich dort zu erkundigen, inwieweit Einstellungsmöglichkeiten für mich bestehen könnten, vor allem, wenn ich, solange ich meine Eltern pflege, eine Weiterbildung über Fernstudium betreibe.

Meine Situation ist ein bisschen verzweifelt. Auf der einen Seite kümmere ich mich um meine Eltern, an denen ich hänge. Auf der anderen Seite werde ich womöglich, wenn dies alles vorbei ist, als armer Tropf dastehen, den auf dem Arbeitsmarkt niemand mehr haben will.

Ich wäre sehr dankbar um kundige Antworten hinsichtlich meiner Fragen zum öffentlichen Dienst.
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#2

Hallo Rajuvo,
ich würde es an Deiner Stelle versuchen und mich initiativ bewerben.

Bewerbe Dich bei Kommunen, bei kommunalen Unternehmen (z.B. Stadtwerken), beim Jobcenter, usw. mit dem ehrlichen Hinweis, dass Du zur Zeit aufgrund der Pflege Deiner Eltern nur in Teilzeit arbeiten kannst, dies aber zu gegebener Zeit gerne aufstocken würdest.

Was hast Du zu verlieren?

Es gibt so viele Bereiche in den Kommunen, in denen juristisches Wissen gebraucht wird.

Eine Fortbildung würde ich zurückstellen, bis geklärt ist, ob Du so eine Stelle bekommst.

Viel Erfolg!
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#3

Jobcenter insbesondere die BA-Seite stellt ganz gern Volljuristen auf Sachbearbeiterstellen ein. Die zielen auf Personen mit eher schwachen Examen. Alter ist da kein Hinderungsgrund. Ist aber meist erstmal befristet und es ist nicht gesichert später einen unbefristeten Vertrag zu bekommen.
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#4

Ich sehe durchaus Chancen für dich, am ehesten in kleineren Kommunen. Denkbar wäre z. B. so etwas wie Assistenz für Bürgermeister und Hauptamt. Bei uns als kleinerer Kommune gibt es natürlich keine Juristen; wir müssen für sehr viel Geld für jede unseren jurstischen Horizont übersteigende Kleinigkeit unseren Vertragsanwalt beauftragen; da wäre ein Jurist im Hause natürlich hilfreich. Ich denke da z. B. an Klagen gegen die Gemeinde, Ausarbeitung / Prüfung umfangreicher Verträge mit Bauträgern etc. Da das den (halben) Tag nicht füllt, kämen sonstige unterstützende Tätigkeiten hinzu. Von der Eingruppierung solltest du dir aber nicht unrealistisch viel erwarten.

Eine klassische Sachbearbeitertätigkeit dürfte in Bereichen wie Ordnungsamt (Polizeirecht, Bußgeldverfahren, Straßenverkehr etc.) oder Liegenschaftsverwaltung (Kaufverträge, Mietverträge etc.) nicht ausgeschlossen sein; für die meisten Funktionen braucht es aber anderes Spezialwissen.
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#5

Ich rate dringend zu mehr Selbstbewusstsein. Du bist Volljurist - PUNKT -. Und ja, je länger du dich jetzt mit der Vollzeitpflege befasst, desto schwieriger wird es für dich persönlich wieder Fuß zu fassen, die Frage ist, ob deine Eltern das wirklich für dich wollen würden, oder ob es ihnen nicht besser ginge, wenn Sie woanders gepflegt werden und du dich um dein Leben kümmerst und dafür sorgst, dass du auch wenn sie nicht mehr da sind, gesichert dastehst und was zum Leben genießen hast.
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#6

rajuvos Ansatz ist durchaus richtig und vernünftig. Als Anwalt mit "Wohnzimmerkanzlei" befindet man stets an der Grenze zum Sozialfall; ich kenne da mehrere Fälle.

Eine geregelte Arbeit in z. B. EG 9b mit einem Aufgabengebiet, mit dem man zurechtkommt, ist da sicher wirtschaftlich sinnvoller und persönlich befriedigender.

Was nützt der Status als Volljurist, wenn man damit kein Geld verdienen kann und/oder überfordert ist? Außerdem bedeutet "Volljurist" an sich noch nichts. Ich habe (von meiner Behördenseite her) immer wieder mal mit Anwälten zu tun, bei denen man sich fragen muss, ob die wirklich mal Jura studiert haben, und die von der Materie weniger Ahnung haben als ich.
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#7

Ich sag ja nicht er soll wieder ne Kanzlei aufmachen, ich sage, er soll ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln und vor allem beruflich wieder Fuß fassen. Ein Volljurist im Passamt finde ich z.Bsp. einfach Verschwendung von Potenzial. Es hat einen Grund warum man die Staatsexamen geschafft hat und es gibt sehr schöne Aufgabengebiete für Juristen in Verwaltungen :-) Aber auch die lassen sich mit Selbstbewusstsein besser erreichen und leichter mit Leben füllen.
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#8

Ich würde mich an deiner Stelle als Ratsuchender an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Trotz Corona suchen die in vielen Bereichen Fachkräfte wie dich viel Erfolg. Ich habe 2 Bekannte die mit 58 Jahren und 60 Jahren verwaltungsfremd waren, aus dem Einzelhandel, und erstmalig in den öffentlichen Dienst eingestellt wurden mit TVÖD Kommunen E6 Stufe 3.
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