Burnout - Welche Faktoren fördern die Erkrankung ?
#1

Die Hans- Böckler- Stiftung setzt sich in einem Aufsatz mit dem Burnout auseinander:

"Burnout als Symptom einer übertriebenen Wettbewerbsmentalität ernst nehmen

Wachsende Anforderungen, Wettbewerbsdruck ohne Feierabend und ein hoher Anspruch an die eigene Arbeit – wo diese Faktoren zusammenkommen, steigt das Burnout-Risiko. Soziologen sehen das Leiden als Symptom einer entgrenzten Arbeits- und Wirtschaftsweise.

Begonnen hat es in der alternativen Nische. Als der amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger 1974 erstmals Fälle von Burnout beschrieb, waren seine Patienten Sozialarbeiter und Lehrer, die wie er in Spanish Harlem arbeiteten: hoch motiviert, politisch engagiert – und nach Jahren frustriert durch die Erfahrung, dass sie trotz eines Einsatzes weit jenseits normaler Arbeitszeiten im damaligen New Yorker Problemviertel nicht wirklich etwas ändern konnten – eben „ausgebrannt“.

Die besondere Kombination aus hoher eigener Identifikation und systematischer Überforderung von Beschäftigten sei ein Schlüssel, um zu verstehen, warum sich Burnout stark ausgebreitet hat, schreiben Prof. Dr. Sighard Neckel und Greta Wagner. Natürlich gab es immer schon harte Arbeit und Stress. Trotzdem sei Burnout keineswegs nur eine Modediagnose, betonen der Frankfurter Soziologie-Professor und seine Mitarbeiterin. Erschienen ist ihr Aufsatz in den WSI-Mitteilungen, der Fachzeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Burnout spiegele vielmehr gewichtige Veränderungen in Arbeitswelt und kapitalistischem Wirtschaftsmodell wider: „Unrealistische Erwartungen an die Belastbarkeit von Mitarbeitern entstammen längst nicht mehr dem Idealismus alternativer Milieus der 1970er-Jahre, sondern sind in einer ökonomischen Kultur zur Regel geworden, die um jeden Preis auf permanente Leistungssteigerung setzt.“

Zwei wesentliche Trends greifen nach Analyse der Wissenschaftler ineinander: 
Eine Selbstverantwortungs- und Wettbewerbslogik, die das Berufsleben prägt, aber längst auch in den privaten Bereich hineinreicht – von der Konkurrenz zwischen betrieblichen Profit-Centern über die Sorge um den Schulerfolg der Kinder bis hin zur Castingshow im Fernsehen. Neckel und Wagner sehen einen Zusammenhang zur „Ausbreitung des Neoliberalismus in den 1990er-Jahren“. In deren Folge sei „es zu einer zeitlichen und sachlichen Entgrenzung von Wettbewerben“ gekommen, „sodass Wettbewerbe zunehmend die Sozialordnung als Ganzes bestimmten“.

Einerseits seien zuvor weitgehend nach anderen Logiken organisierte Bereiche wie Hochschulen oder öffentliche Verwaltung in den Wettbewerb einbezogen worden, so die Forscher. Zum anderen verkürzten sich für sehr viele Erwerbstätige die Abstände, in denen „der erreichte Status wieder zur Disposition gestellt und ,performativ‘ neu erkämpft werden“ musste. Begünstigt wurde das durch Fortschritte in der Informationstechnik. Leistungsfähige Computer bildeten eine zentrale Voraussetzung für engmaschige Leistungs- und Erfolgskontrollen. Mobilgeräte eröffneten die Möglichkeit, Beschäftigte dauernd zu erreichen. Hinzu kamen Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt. Sie erleichterten beispielsweise die Einrichtung befristeter Jobs, die der Analyse von Neckel und Wagner zufolge „den Leistungsdruck auf die Mitarbeiter erhöhen und sie zwingen, ihren Wert für die Organisation immer wieder von Neuem beweisen zu müssen“.

Als zweiten, „subjektiven“ Faktor der Entgrenzung identifizieren die Soziologen den Wunsch vieler Menschen, „dass die Arbeit mehr sein möge als bloßer Lebensunterhalt“. Der Anspruch, sich im Beruf selbst zu verwirklichen, habe sich seit Freudenbergers Zeiten stark ausgebreitet und werde auch dort gepflegt, wo das früher nicht üblich war. Was aus Sicht des einzelnen Arbeitnehmers grundsätzlich nachvollziehbar und sinnvoll sei, könne jedoch „zum Köder“ werden. Nämlich dann, wenn Unternehmen mit praktisch grenzenlosem Einsatz kalkulieren – nach Ansicht der Forscher sind beispielsweise kräftige langfristige Zuwächse bei atypischen oder überlangen Arbeitszeiten ein Indiz dafür. Besonders problematisch sei es, wenn Beschäftigte keine echten Möglichkeiten hätten, ihre Arbeitsgestaltung mitzubestimmen. Neckel und Wagner resümieren typische psychologische Fallbeschreibungen zum Burnout: „Die Identifikation mit der Arbeit trieb die späteren Burnout-Patienten, je unzulänglicher die Arbeitsbedingungen waren, in immer größeres Engagement, was schließlich zum Erschöpfungszusammenbruch führte“.

Dass Burnout in den Medien prominent behandelt wird, halten die Soziologen für durchaus positiv. Das Syndrom sei zu einem griffigen Symbol geworden, über das „der Wandel der Arbeitswelt und die daraus entstehenden psychischen Kosten, welche die Arbeitssoziologie teilweise bereits seit Jahrzehnten beschrieben hatte“, nun verstärkt Thema in breiteren gesellschaftlichen Debatten würden. Statt aus Überforderung resultierende psychische Erkrankungen als individuelle Probleme abzutun, gerieten die Schattenseiten einer übersteigerten Wettbewerbsgesellschaft in den Blick, die die Arbeitskraft verschleiße. Nicht selten bereits in Vorauswahlen oder Antragsprozessen für Projekte, die am Ende nie umgesetzt werden. Die öffentliche Kritik könnte helfen, die Wirtschaft auf einen stärker nachhaltigen Entwicklungspfad zu bringen, hoffen Neckel und Wagner. In manchen Unternehmen seien schon Anzeichen dafür zu beobachten.

(Pressemitteilung Hans-Böckler-Stiftung vom 1.12.14)


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#2

Burnout ist nur ein anderer Begriff für eine Depression. Das was man da als Burnout bezeichnet sind häufig Depressionen. Im ÖD sehe ich das Problem handfester Gratifikationskrisen, was auch evtl. erklären würde, warum in unteren Gehaltsklassen viel mehr Langzeitkranke und Depressive vorhanden sind mit längeren Krankheitsphasen. Dazu gibt es eine Statistik vom Bundesland Bayern, wo z.B. die Krankheitsfälle gelistet sind, je besser das Einkommen, desto weniger krank. Burnout ist oft nicht in Folge von Überlastung, sondern schlicht Depressionen und Gratifikationskrisen.

Von Gesundheitsmanagement halte ich gar nichts -- anstatt während der Dienstzeit Gymnastik zu machen oder Massage arbeite ich lieber Teilzeit und geh früh nach Hause, sowas kann man gefälligst privat machen. Weiß nicht, wer sich sowas einfallen lässt. Okay, viele Leute dort sind alt, älter als in vielen Betrieben, aber ich mach mich da doch nicht zum Affen.
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#3

Gesundheitsmanagement ist immer eine komplexe Sache. Wenn Mitarbeiter ihre Arbeit gern machen, machen sie sie auch besser und bleiben eher gesund. Neben Gesundheitsangeboten wie Rückenschule oder Entspannungskursen spielen auch die Arbeitsbedingungen eine Rolle - wie gehen die Mitarbeiter miteinander um, wie gut ist der Chef, wie kann ich meine Arbeit einteilen. Bei uns haben wir eine sehr flexible Arbeitszeitregelung, ein umfangreiches Gesundheitsmanagement (wobei ich da auch teilweise ein Überangebot sehe, es sollte nicht jedes Hobby finanziert werden) und versuche, das zwischenmenschliche Klima zu verbessern (das Letzte ist das Schwierigste!)
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#4

Dem Beitrag Nr. 2 kann ich mich nicht ganz anschließen. Burnout ist kein anderer Begriff für Depression. Aber Depressionen sind ein Teil des Burnout. Je nachdem, wie viele "offen Baustellen" man hat und wie groß diese sind, kann sich dies bis zum "Wenn ich jetzt tot umfallen würde, wäre wenigstens alles vorbei." hinziehen. Obwohl kein Großverdiener spielen Finanzen dabei (bei mir) keine Rolle.
Auch sollte man mit der Einschätzung (Beitrag 3) vorsichtig sein, dass Mitarbeiter, die ihre Arbeit gern machen länger gesund bleiben. Ich mach meine Arbeit gern, bin zugepackt bis zum Äußersten. Dennoch versuche ich alles hinzubekommen obwohl ich merke, dass ich schon längst an meine Grenzen geraten bin. Nur - die Diagnose Burnout hab ich einfach nicht akzeptiert. ... irgendwie muss es halt weitergehen. Selbst wenn manchmal alles weh tut, lass ich es mir nicht anmerken - trau mich schon kaum noch zum Arzt, weil: er kann mir ja auch nicht helfen außer dass er Diagnosen stellt, die ich nicht hören will. - Solange ich nicht wirklich mal umfalle...
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